Zentralasien mit dem Zug erfahren
Im Sonderzug während 15 Tagen entlang der einstigen Seidenstrasse von Kasachstan über Usbekistan nach Turkmenistan zu fahren, ist eine eindrückliche Zeitreise durch den alten und neuen Orient.
Eine Reportage von Christa Arnet
Text: Christa Arnet, erschienen in touring Nr.16 am 26.09.2013
Almaty, Taschkent, Samarkand, Buchara, Aschgabat – all das sind geheimnisumwitterte Namen, die vor dem inneren Auge ein faszinierendes Morgenland mit prunkvollen Palästen, gewaltigen Moscheen, quirligen Basaren, seltsam gewandeten Menschen und fliegenden Teppichen entstehen lassen. Und genauso ist es in Wirklichkeit, jedenfalls auf den ersten Blick. Da erheben sich monumentale Tore, Türme und Kuppeln, dort liegt ein Labyrinth enger Gassen mit winzigen Shops und Handwerkerbuden. Die Frauen in ihren reich verzierten Gewändern wirken wie Prinzessinnen, die Männer mit den langen Mänteln und bestickten Mützen erinnern an Ali Baba. Nur fliegende Teppiche gibt es keine. Heutzutage reist man auch in Zentralasien mit dem Auto. Oder noch besser per Zug.
Jeden Tag ein Highlight
Die beste Art, die historischen Städte und Stätten von Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan zu besuchen, ist eine Fahrt mit dem Sonderzug "Orient Silk Road Express", wie diese Touring-Leserreise dies vorsieht.
Die beste Art, die historischen Städte und Stätten von Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan zu besuchen, ist eine Fahrt mit dem Sonderzug “Orient Silk Road Express”, wie diese Touring-Leserreise dies vorsieht. In zwei Wochen geht es von der grünen Stadt Almaty am Fuss der mächtigen Gipfel des Alatau über das Pilgerzentrum Turkestan zur usbekischen Hauptstadt Taschkent und zu den weltberühmten Sehenswürdigkeiten von Schahrisabs, Samarkand, Chiwa und Buchara bis zur turkmenischen Hauptstadt Aschgabat und zu den nahegelegenen Ausgrabungsstätten Merw und Nisa. Dabei werden sieben bedeutende Unesco-Weltkulturerbe und zahlreiche weitere historische Stätten, aber auch moderne Grossstädte und traditionelle Dörfer besucht. Achtmal wird im Zug geschlafen, entweder im Zweibettabteil mit privater Nasszelle, im Zweibett- oder Vierbettabteil mit Dusch- oder Waschgelegenheit oder im Vierbettabteil mit allgemeinem Waschraum. Der Platz ist relativ knapp, aber die Betten ermöglichen selbst auf Schüttelbecher-Strecken einen guten Schlaf. Und zwischendurch kann man sich immer wieder ein bisschen pflegen. Denn sechsmal wird in guten Hotels übernachtet.
Ein Märchen in Blau
Zentralasien ist keine liebliche Gegend. Vom Zug aus sind schroffe hohe Berge, sandige Steppen, endlose Baumwollfelder und staubige Dörfer zu sehen.
Umso verblüffender sind die leuchtend blauen Kuppeln der Moscheen, die blau-grün gekachelten Minarette, die blauen Tore der Koranschulen, sprich Medresen, und die wuchtigen gelben Mauern der Karawansereien in den alten Oasenstädten der einstigen Grossen Seidenstrasse. Allerdings sind die meisten historischen Bauten stark restauriert oder gar rekonstruiert. Manchmal ist lediglich ein Tor übrig geblieben. Dahinter befindet sich ein Hof mit Souvenirshops.
Dennoch fühlt sich der Besucher in eine längst vergangene Zeit versetzt. Niemand würde sich wundern, wenn der grausame Mongolenfürst Tamerlan vom Podest in seiner Geburtsstadt Schahrisabs herabsteigen und die Fremdlinge verscheuchen würde. Oder wenn Kamelkarawanen durch die mittelalterlich anmutenden Städte Chiwa und Buchara zögen und Aladin mit der Wunderlampe aus 1001-Nacht auf dem weltberühmten Registan-Platz in Samarkand erschiene. Aber nein! Dass die Prunkportale des eindrücklichsten Bauensembles Zentralasiens abends in satten Farben erstrahlen, hat nichts mit übernatürlichen Kräften, sondern mit der für die Touristen inszenierten Ton- und Licht-Schau zu tun, die auf dramatische Weise von den wichtigsten Ereignissen der Vergangenheit berichtet. Unter anderem vernimmt man, dass die Frauen Usbekistans 1917 auf diesem Platz ihre Schleier verbrannten. Erst nachdem das Land die Unabhängigkeit von Russland erlangte, wurde das Thema Schleier wieder aktuell. «Der Druck islamischer Kräfte aus dem Ausland war enorm», erinnert sich die Reiseführerin, «aber wir haben uns nicht verschleiert und werden es auch nie wieder tun». Tatsächlich tragen die Frauen oft nicht einmal ein Kopftuch, ausser in den Moscheen, wo sich auch die Ausländerinnen bedecken müssen.